Es ist Zeit für eine Stellvertretungsregelung im Gemeinderat!

Obwohl der Zürcher Gemeinderat seit April wieder tagt, müssen auch heute noch Mitglieder, die Risikopatienten sind, den Sitzungen fernbleiben. Was sich vor Corona bereits abgezeichnet hat, wurde in den letzten Wochen nochmals deutlich: Unverschuldete Absenzen aufgrund von Krankheit, Mutterschaft oder Betreuung kommen immer wieder vor. Eine Stellvertretungsregelung tut not.

Die Fraktionen von SP, Grünen, GLP, AL, und der parlamentarischen Gruppe EVP reichen dazu – auf Initiative der IG-Frauen im Gemeinderat – heute einen Beschlussantrag beim Kantonsrat ein. Dieser soll eine entsprechende Rechtsgrundlage im Gemeindegesetz schaffen.

 

Nicht nur die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es Situationen gibt, in denen gewählte Mandatsträger_innen ihr Amt unverschuldet über eine gewisse Zeit nicht wahrnehmen können. Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. In vielen Gemeindeparlamenten politisieren heute viele junge Menschen, die neben ihrem politischen Mandat auch in Beruf und Familie oder anderen Betreuungsaufgaben stark engagiert sind. Dadurch sind die Belastungen durch die Vereinbarkeit gestiegen. Auch die Ansprüche an die Milizpolitiker_innen sind gestiegen. In einer Millionenstadt wie Zürich mit einem Milliardenbudget Politik zu machen, ist komplexer und aufwendiger als früher.

 

Beispielsweise die Geburt eines Kindes kann es erfordern, dass eine Auszeit von der Politik nötig ist – Krippenbetreuung ist erst ab 3 Monate möglich. Ebenso können längere Krankheiten, die Pflege von kranken und nahen Angehörigen oder zwingende, zeitlich klar begrenzte, Auslandaufenthalte aus beruflichen Gründen dazu führen, dass Parlamentarier_innen zu Absenzen gezwungen werden.

Oft führen solche Belastungen zu einem vorzeitigen Rücktritt, weil kein Fehlen möglich ist. Die vielen Rücktritte führen aber zu erheblichen Wissensverlusten, sind ineffizient und verfälschen den Wähler_innenwillen, denn gewählt ist jedes Parlamentsmitglied für eine ganze Legislatur.

 

Eine Stellvertretungsregelung kann helfen, solche Rücktritte zu vermeiden. Die Stellvertretung soll durch einen klar definierten, demokratisch legitimierten Personenkreis wahrgenommen werden können und den Know-how-Transfer von bestehenden zu zukünftigen Parlamentarier_innen fördern. Das Mandat soll für einen begrenzten Zeitraum gelten und die gleichen Rechte und Pflichten wie ein ständig gewähltes Ratsmitglied beinhalten. Über die Einführung einer Stellvertretungsregelung und ggf. die konkrete Ausgestaltung sowie Anwendung und mögliche Dauer der Vertretung sollen die einzelnen Gemeindeparlamente bestimmen.

 

Der entsprechende Beschlussantrag wurde heute in einer breiten Koalition von den Fraktionen der SP, Grünen, GLP, AL und der parlamentarischen Gruppe EVP eingereicht. Eine innovative Stadt wie Zürich ist auch Vorbild, wenn es um die Weiterentwicklung der Demokratie und des eigenen Gemeindeparlaments geht. Nicht zuletzt kann eine griffige Stellvertretungsregelung auch ein Aspekt sein, den Frauenanteil in Gemeindeparlamenten längerfristig zu erhöhen.